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Das kolumbianische Mietrecht unter dem Druck von Covid-19

28. April 2020

Die Covid-19 Krise hat zu tiefer Verunsicherung auf dem kolumbianischen Mietmarkt geführt. Auf Grund der aktuellen Situation häufen sich Mietausfälle, sowohl bei der Miete über Wohnraum als auch bei der Gewerbemiete. Der kolumbianische Präsident Iván Duque hatte am 17. März 2020 den nationalen Notstand ausgerufen (Estado de Emergencia Económica, Social y Ecológica), auf dessen Grundlage eine landesweite Ausgangssperre (aislamiento preventivo obligatorio) verhängt wurde. Ab 11. Mai 2020 wird diese gelockert werden, aber eine Rückkehr in die Normalität ist mittelfristig noch nicht in Sicht.

Interessenausgleich zwischen Vermietern und Mietern

Anfang April 2020 hatte die kolumbianische Regierung angekündigt, Regelungen zum Schutz von Mietern zu erlassen, insbesondere das Verbot von Zwangsräumungen während der Covid-19 Krise. Nach dieser Ankündigung kam es zu Protesten von Vermieter- und Eigentümerverbänden. Viele Vermieter in Kolumbien sind ältere Menschen, die sich über die Mieteinnahmen ihren Lebensunterhalt finanzieren und häufig keine weiteren Einnahmen haben. Dies liegt unter anderem auch an den Schwächen des kolumbianischen Rentensystems. Viele Kolumbianer investieren in Immobilien statt in das Rentensystem, um sich ihr Auskommen im Alter zu sichern.

Eingriff ins Mietrecht durch Notstandsverordnung 597/2020

Die kolumbianische Regierung verabschiedete nun am 15. April 2020 das Notstandsverordnung (Decreto Legislativo 579 de 2020) über Anpassungen des Mietrechts während der Covid-19 Krise. Dieses Dekret steht aufgrund des nationalen Notstands in der Normenhierarchie auf derselben Stufe wie ein vom Kongress verabschiedetes förmliches Gesetz (ley). Es greift vom Anwendungsbereich her sowohl in die Wohnraummiete ein, die als gesetzlichen Rahmen das Gesetz 820 des Jahres 2003 hat, als auch in die Gewerbemiete, die im Wesentlichen durch den Código de Comercio geregelt wird. Die kolumbianische Regierung hatte bei der Erstellung des Decreto 579 die undankbare Aufgabe, Vermieter- und Mieterinteressen vor dem Hintergrund der Covid-19 Krise in einen gerechten Ausgleich zu bringen.

Grundsatz der Bindung an bestehende Mietverträge – auch während Corona Krise

In Artikel 3 des Decreto 579 traf die Regierung die Grundsatzentscheidung, dass bestehende Mietverträge weiterhin gelten und dementsprechend weiterhin die vertraglich vereinbarte Miete zu entrichten ist. Zwar sieht diese Vorschrift die Pflicht der Parteien des Mietvertrags vor, wegen Covid-19 und der damit in Zusammenhang stehenden Probleme (etwa Zahlungsschwierigkeiten des Mieters, behördliche Anweisung der Schließung von Ladenlokalen etc.) in Verhandlungen zu treten und eine einvernehmliche, gerechte und solidarische Lösung zu finden. Das Decreto 579 sieht in Artikel 3 aber auch vor, dass wenn es den Parteien nicht gelingt, eine einvernehmliche Lösung zu finden, dass dann am 30. Juni 2020 die bis dato nicht gezahlte Miete nachzuentrichten ist, zuzüglich Zinsen in Höhe von 50% des „üblichen Bankzinses“ (TIBC = tasa de interes bancario corriente). Der TIBC beträgt gemäß der Festlegung der kolumbianischen Finanzaufsichtsbehörde Superintendencia Financiera de Colombia aktuell ca. 18% e.a. Daraus ergibt sich: Lässt sich der Vermieter nicht auf eine Reduzierung der Miete ein und zahlt der Mieter daraufhin keine Miete mehr, kann der Vermieter ab 30. Juni 2020 die nicht gezahlte Miete nachfordern, zuzüglich Zinsen in Höhe von ca. 9% e.a.

Notstandsverordnung differenziert nicht zwischen Wohnraum- und Gewerbemiete

Kritisch anzumerken an dieser gesetzlichen Regelung ist, dass keinerlei Differenzierung vorgenommen wird zwischen Wohnraummiete und Gewerbemiete bzw. bei der Gewerbemiete nicht differenziert wird zwischen Mietern, die wegen Covid 19 derzeit komplett schließen müssen (etwa Gastronomie, Hotelbranche, Touristik) und anderen Betrieben, die zumindest teilweise noch weiterarbeiten können.

Schwierigkeiten bei der Anwendung der Notstandsverordnung in der Praxis

Als Reaktion auf das Decreto 579 verkündete daher am 17. April 2020 der Verband der Bar- und Diskothekenbetreiber in Kolumbien die allgemeine Zahlungsunfähigkeit seiner Mitgliedsunternehmen (quiebra colectiva). Man kann davon ausgehen, dass jedenfalls diese Branche ungeachtet des Decreto 579 keine Miete mehr zahlen wird. Dieser öffentlichen Verkündung vorausgegangen waren Andeutungen des kolumbianischen Präsidenten, dass Bars und Diskotheken eventuell 12 bis 18 Monate geschlossen bleiben müssen. Womöglich wegen dieser düsteren Aussichten ging die Regierung auch gar nicht erst auf Forderungen der Branche ein, diese während der Covid-19 Krise zu subventionieren. Somit handelt es sich bei Bars und Diskotheken offenbar um das erste große Opfer der Covid‑19 Wirtschaftskrise in Kolumbien.