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Kolumbien und die Versteuerung des Welteinkommens

20. April 2020

In Kolumbien lebende Ausländer mit Einkünften aus dem Ausland fragen sich häufig, ob Sie in Kolumbien Einkommensteuer zahlen müssen.

Die kurze Antwort lautet: Grundsätzlich ja.

Die ausführliche Antwort: In Kolumbien gilt das Welteinkommensprinzip. Das Welteinkommensprinzip bedeutet, dass ein Steuerresident (residente fiscal) sein weltweites Vermögen und Einkommen gegenüber dem kolumbianischen Finanzamt offenlegen muss.

Überschreitet das Vermögen bzw. das Einkommen gewisse Schwellenbeträge (was relativ schnell der Fall ist), so muss Einkommensteuer an das kolumbianische Finanzamt (Dirección de Impuestos y Aduanas Nacionales, kurz DIAN) gezahlt werden.

Unter welchen Voraussetzungen wird man in Kolumbien zum residente fiscal?

Es gibt mehrere Szenarios, die einen Menschen (egal ob Kolumbianer oder Ausländer) zum residente fiscal in Kolumbien werden lassen. Das bekannteste und wichtigste Szenario ist der dauerhafte Aufenthalt in Kolumbien, d. h. der bloße physische Präsenz eines Menschen auf kolumbianischem Territorium.

Genauer gesagt, gilt die so genannte 183-Tage-Regel. Die 183-Tage-Regel besagt, dass derjenige, der sich in einem zusammenhängenden Zeitraum von 365 Tagen mindestens 183 Tage (egal ob unterbrochen oder ununterbrochen) in Kolumbien aufhält (einschließlich der Ankunfts- und Abflugtage), der wird in Kolumbien automatisch zum Steuerresidenten.

Beispiel: Person X kommt am 1. Juli 2019 erstmalig am internationalen Flughafen in Bogotá an. Am 15. Dezember 2019 reist Person X zum Weihnachtsurlaub nach Deutschland zurück. Für das Jahr 2019 ist Person X kein residente fiscal in Kolumbien, da 183 Tage nicht überschritten wurden.

Nehmen wir an, dass Person X Anfang Januar 2020 nach Kolumbien zurückkehrt, so wird Person X aber nach Ablauf von ca. 2 Wochen zum residente fiscal, weil 183 Tage in einem zusammenhängenden Zeitraum von 365 Tagen dann überschritten werden. Dies hat zur Folge, dass Person X für das Steuerjahr 2020 eine Steuererklärung in Kolumbien abgeben muss, in der sie ihr Weltvermögen und Welteinkommen offenlegen muss.

Ausländer, deren Herkunftsstaaten das Welteinkommensprinzip nicht kennen, reagieren manchmal geschockt auf diese Feststellung. Deutsche dürfte diese Einsicht eher unbeeindruckt lassen, da in Deutschland ebenfalls das Welteinkommensprinzip gilt.

Allerdings kommt ein weiteres Problem hinzu: Doppelbesteuerung.

Bestimmte inländische Einkünfte unterliegen nach deutschem Steuerrecht der deutschen Einkommensteuer, obwohl der Steuerpflichtige Deutschland längst verlassen hat, d. h. in Deutschland nicht mehr unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Typische Beispiele sind etwa Einkünfte aus der Vermietung von Immobilien oder gewerbliche Einkünfte aus einer in Deutschland gelegenen inländischen Betriebsstätte.

Da zwischen Deutschland und Kolumbien kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung existiert, erhebt grundsätzlich auch Kolumbien Einkommensteuer auf deutsche inländische Einkünfte, wenn der Steuerpflichtige in Kolumbien lebt.

Ein ähnliches Problem besteht bei Expat-Arbeitsverträgen, bei denen in Deutschland Lohnsteuer einbehalten wird, der entsandte Mitarbeiter aber in Kolumbien schon residente fiscal geworden ist.

In diesen Fällen besteht grundsätzlich ein Doppelbesteuerungsproblem. Allerdings sieht das kolumbianische Steuerrecht einen Abzugsmechanismus vor, der es erlaubt, im Ausland gezahlte Steuer (bis zu einem gewissen Limit) von der kolumbianischen Einkommensteuerschuld abzuziehen (descuento por impuestos pagados en el exterior). Das Doppelbesteuerungsproblem wird damit deutlich entschärft.

Der Informationsaustausch in Steuersachen zwischen Kolumbien und dem Ausland nimmt stetig zu. Im September 2014 haben Deutschland, Kolumbien, die Schweiz und über 50 weitere Staaten ein multilaterales OECD-Abkommen zum automatischen Austauschen von Informationen über Finanzkonten abgeschlossen.  Auf Grundlage des OECD-Abkommens teilen Banken den nationalen Finanzämtern persönliche Kontodaten mitteilen, die automatisch und regelmäßig an ausländische Finanzämter (unter anderem die DIAN) verschickt werden.